Ein verspäteter Nachtrag zum Generalstreik in Strasbourg

Einige von uns waren beim Generalstreik am 7. März in Paris (siehe unseren ausführlicherern Bericht über die französische Streikbewegung hier) , sondern auch in Strasbourg mit dabei, und haben auf Twitter live über den Generalstreik, und Eindrücke dort berichtet, siehe hier. Diesbezüglich wollten wir etwas später nochmal etwas nachtragen.

Vor Ort in Strasbourg, und auch im Nachgang haben wir mit einigen Mitstreiter*innen, insbesondere den Mitgliedern unserer Partner-Organisation, der Union Communiste Libertaire Alsace (UCL), gesprochen. Wir möchten hier in erster Linie eine Momentaufnahme, des weiter laufenden Kampfes vor Ort liefern, und anstelle großartiger Vorhersagen und Analysen, unsere französischen Genoss*innen zu Wort kommen lassen. Diese wiesen uns am 07.03. wie auch zum Zeitpunkt des Verfassens des Textes am Samstag den 18.03., darauf hin, dass die Situation sich extrem schnell entwickele, und eine angemessene Beurteilung der Streiks vor allem erst im Hinblick auf die fortlaufende Entwicklung getroffen werden könnte. Eine tiefergehende Besprechung und Analyse des Streiks in Frankreich, hat die Plattform Ruhr und Ander von der Union Communiste Libertaire bereits beim Podcast Nordwestpassage (siehe hier) gemacht, die wir euch nur von Herzen empfehlen können. Dies vorneweg, versuchen wir ein flüchtiges Bild zu zeichnen, und geben dabei die Einschätzung eines Genossen der UCL aus Strasbourg wieder. 

“Am 7. März fand in Frankreich die größte Demonstration seit 40 Jahren statt. Sektoren wie die Bahn, der Energiesektor, die Hafenarbeiter und die Müllabfuhr befanden sich in einem ausgedehnten Streik, und bis Donnerstag fanden täglich Blockaden statt.”

Die Streikbewegung dieser Tage war, wie es in einer Fürrede zur vollständige Blockade der Uni am nächsten Tag, im Assemblée Générale der Studierenden an der Uni Strasbourg nach der Demo, gesagt wurde, eine besondere, seit 10 Jahren nicht mehr gegebene, Situation. So handelte es sich um einen verlängerbaren Streik (Grève Reconductible), der von einem extrem breiten Bündnis aller großen Gewerkschaften getragen wurde. Der Generalstreik am 7. März wurde mit dem feministischen Kampftag am 8. März zusammengeführt, und teilweise auch in den folgenden Tagen forgesetzt. Es fanden Blockaden nicht nur von Institutionen, sondern, viel entscheidender, von kritischer Infrastruktur im ganzen Land statt. Im Elsass etwa in Marckolsheim, wo Streikenden den Schiffsverkehr auf dem Rhein lahmgelegt hatten. Der französische Staat schichte daraufhin Polizeieinheiten, der notorisch brutalen CRS, um die Streikenden zu zwingen die Blockade aufzugeben(1). Laut den Gewerkschaften waren 3,5 Millionen Menschen in Frankreich beim Streik am 7. März auf der Straße – rein zahlenmäßig der größte Streik seit Mai 1968. So zwang 

“die breite soziale Bewegung die Regierung, sich auf den Artikel 49-3 der Verfassung zu berufen, der es ihr erlaubt, jede legislative Prüfung des Gesetzes zu umgehen” um die Rentenreform durchzusetzen; was am Mittwoch, dem 16.03., geschah. “Der letzte Rest an politischer Legitimität bröckelte, am Freitag kam es zu zahlreichen wilden Streiks und einige spontane Demonstrationen schlugen in Krawalle um, obwohl die Bewegung von Anfang an sehr friedlich war.”

Hinsichtlich dessen, was auf dem Spiel steht, können Parallelen zum großen Streik der Minenarbeiter in Großbritannien 1984/85 gezogen werden. 

“Macron ist ein bisschen wie Thatcher. Er versucht, der sozialen Bewegung eine entscheidende Niederlage beizubringen. Wenn wir gewinnen, bedeutet das das Ende von TINA [“There is no alternative” – Margaret Thatcher, charakteristische Phrase neoliberale Politik] und anderem neoliberalen Schwachsinn. Wenn wir verlieren, wissen wir, dass die Rechtsextremen der große Gewinner sein werden.”

Nicht nur das, sollte der Massenstreik und die soziale Bewegung auf der Straße nicht in der Lage sein, selbst jetzt mit dem Einsatz aller Kraft, einen Sieg zu erringen, würden fortan alle zukünftigen Protestbewegung düstere Aussichten haben.

“Unser Erfolg hängt von der Verwandlung der Wut in Massenaktion ab. Der Mangel an Assemblées Générales (5) in vielen Branchen bleibt eine Hinderung, um die Mobilisierung zu vertiefen. Mit der Anwendung der 49.3 bleiben sogar die Kompromissgewerkschaften in der einige Gewekschaftsfront. Unser Legitimität ist größer als immer aber es meint auch das wir brauchen Basisaktion um den Protest zu beschleunigen.“

Editoriale Anmerkung: Wie bereits gesagt, bewegen sich die Ereignisse in Frankreich seit dem Verfassen des Textes extrem schnell - am selben Wochenende noch erhitzten sich die Kämpfe in Strasbourg, und anderswo, besonders, und haben sich seitdem weiter intensiviert. Wir berichten aus Frankreich weiterhin darüber auf unserem Twitter. Aktuelle Berichte mitten aus dem Handgemenge finden sich auf Deutsch u.a. ansonsten hier 

Anmerkungen:

Fußnote 1: Siehe auch twitter.com/RevPermanente/status/1633821308487180288?s=20)

Fußnote 2: Was sind ‚Assemblées Générales‘ und warum sind sie bedeutend?

„Es sind Versammlungen von Arbeitern (oder Studenten), auf denen wir die Situation und die kommenden Aktionen diskutieren. Sie sind ein basisdemokratischer Weg, um die Arbeiterbewegung zu organisieren. Sie können sich auf einen bestimmten Sektor (Bahn, Studenten, Bildung,…) oder auf alle Sektoren gleichzeitig beziehen. Sie sind ein sehr wichtiges Instrument für die Selbstorganisation der ArbeiterInnenbewegung. Da wir oft dazu neigen, an unserem Arbeitsplatz alleine zu kämpfen, sind sie unerlässlich, um den Zusammenhalt zwischen den Arbeitnehmern zu stärken und die Bewegung zu erweitern. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Arbeiter an Generalversammlungen teilnehmen, die nicht ihren Sektor umfassen, nur um ihre Unterstützung zu zeigen.“

– UCL Alsace

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