„Kämpfen ohne Unterzugehen!“ – Unser Redebeitrag zum feministischen Streik in Leipzig

Auch wir beteiligten uns im Rahmen der feministischen Streikwoche in Leipzig um den 8. März dieses Jahres an verschiedenen Aktionen. Hier folgt ein Redebreitrag welchen wir auf einer verbundenen Kundgebung zum Besten gaben.



Es war ermunternd am 8. März so viele Menschen versammelt zu sehen. Es ist motivierend, wenn wir uns zu Demonstrationen und Kundgebungen zusammenfinden, um gemeinsam für ein Anliegen einzustehen. Unserer besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Organisator*innen der verschiedenen Kundgebungen. Nicht allein dafür, dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben, für die Lokalgruppe der anarcha-kommunistischen Plattform sprechen zu können. Sondern vor allem dafür, dass sie ihre Zeit und Energie in die Vorbereitung und Durchführung gesteckt haben. Dass sie wochenlang auf Plena diskutiert und geplant haben. Dass sie neben diesen Plena noch diese Mail geschrieben, noch jenes Telefonat geführt haben. Kurz: Dass sie die politische Arbeit geleistet haben, die ein Ereignis wie das heutige erst möglich machen.


Politische Arbeit in der linken Szene
Denn machen wir uns nichts vor: Das, was wir in unseren politischen Zusammenhängen leisten ist Arbeit. Abgesehen von den schönen Momenten, wenn wir gemeinsam etwas erreichen, ist es auch anstrengend. Es zehrt an unseren Kräften, es ist stressig, es kann frustrierend sein. Und es kostet zum Teil immens viel Zeit. Zeit für Plenas, Zeit dafür Texte zu lesen und zu schreiben, Zeit um ein Transpi zu malen. Zeit, die zur Verfügung stehen muss, um sie in politische Arbeit investieren zu können. Genau diese Zeit fehlt aber, wenn Menschen sich um Angehörige oder Kinder kümmern oder wenn sie gerade selbst in einer psychischen Krise stecken. Meist verschwinden diese Personen dann langsam aus politischen Kontexten, weil unbezahlte Sorgearbeit und politischer Aktivismus gleichermaßen viel Zeit beanspruchen. Doch laufen linke Gruppen damit nicht Gefahr, ein Bild von Politik zu reproduzieren, das sie eigentlich ablehnen? Die politische Sphäre in der bürgerlichen Gesellschaft basiert auf der geschlechtlichen Trennung von Haushalt und Öffentlichkeit: während die FLINTA*sich Zuhause um die Kinder und den Einkauf kümmern sollen, machen die Männer Politik. Die politische Sphäre ist dann eine Sphäre, in der Sorgearbeit keinen Platz hat, weil sie darauf beruht, dass irgendjemand anderes – meist FLINTA*- diese Sorgearbeit erledigt. Wenn wir aber darauf beharren, dass wir uns weiter öffentlich in die Politik einmischen wollen, weil wir denken, dass wir nur so diese Welt verändern können, dann müssen wir die Art und Weise verändern, wie wir Politik machen. Die politischen Formen müssten so verändert werden, dass sie nicht nur jenen offen stehen, die die Zeit dafür aufbringen können. Und sie müssten so verändert werden, dass sie nicht nur an unseren Kräften zehren, sondern dass sie uns auch Kraft geben – dass unser politischer Aktivismus uns hin und wieder soviel Kraft gibt wie ein sonniger Tag in einem schönen Garten.


Nachhaltiger Aktivismus als Lösung?
Um dies zu erreichen kommt immer wieder der Aspekt des Nachhaltigen Aktivismus in das Bewusstsein von politischen Gruppen. Doch oft fällt genau dieser wieder hinten runter. Das kann verschiedene Gründe haben: weil die Zeit fehlt, weil es Menschen zu anstrengend ist, sich damit konkreter auseinanderzusetzen oder weil die Kapazitäten doch für andere wichtige Themen genutzt werden wollen.Es gibt Ansätze, um eine wertschätzen Kommunikations-Kultur zu etablieren, wie beispielsweise Emo-Runden, Emo-Plena oder darauf zu achten, wieviele Redeanteile jede:r innehat. Doch oft verlaufen diese Ansätze nur an der Oberfläche oder verschleißen auf eine Art und Weise. So entsteht ein scheinbares Gefühl von „wir gehen doch achtsam miteinander um“, während gleichzeitig Aktivisti*s immer wieder komplett an ihre Grenzen kommen oder unterschwellige Konflikte schwelen, weil die eine so viel „leistet“ und der andere  „angeblich so wenig“ Menschen fallen aufgrund von Krankheit, privaten Struggles und verschiedensten Erschöpfungs-Erscheinungen aus ihren Politgruppen. Selten findet sich ein Raum, diese Not auch wirklich anzusprechen. Diese Not überhaupt erstmal als diese anzuerkennen, und sie nicht nur als selbstverschuldete Misere zu beobachten, derer mensch sich im schlimmsten Fall noch schämt. Denn fragen wir uns doch alle mal ehrlich: wie gut aufgehoben fühlen wir uns in unserer Gruppe, dass wir ehrlich und offen kommunizieren können, dass wir eine Aufgabe nicht leisten können, dass wir nicht mehr hinterherkommen, dass uns etwas zu viel ist..Und wie oft wird diese Not in der Gruppe aufgefangen? wie viel öfter passiert es, dass mensch sich zurückzieht und/oder aussteigt, und versucht, die Problematik selbstständig zu lösen? Diese Probleme werden meist aus den politischen Zusammenhängen ausgelagert: in Freundeskreise, Familienzusammenhängen oder in Therapien. All das sind wichtige Stützen und ein politischer Zusammenhang soll diese nicht ersetzen. Aber er sollte genauso wenig darauf basieren, ein Pensum an Arbeitsleistung als Norm zu etablieren, das nicht jede erbringen kann und will. Es kann nicht darum gehen, dass sich jede:r um sich selbst sorgt, um dann beim nächsten Plenum wieder fit und munter zu erscheinen. Wenn wir diese Welt nachhaltig verändern wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir uns auch langfristig organisieren können. Audre Lorde schrieb vor einiger Zeit, dass die „Fürsorge für mich selbst […] nicht Genusssucht [ist], es ist Selbsterhaltung und dies ist ein Akt des politischen Kampfes!“ Und wenn Fürsorge ein Akt des politischen Kampfes ist, dann muss sie auch einen Platz in unseren politischen Zusammenhängen finden.


Kämpfen ohne Unterzugehen
Es ist ein Zwiespalt zwischen der Notwendigkeit, die vielen wichtigen Kämpfe zu führen, und der Notwendigkeit, die eigenen Grenzen zu achten. Es sind die gegenwärtigen Zustände, die uns (& alle Menschen) in unserer freien Selbstentfaltung hindern und wir kämpfen dafür, dass jede:r sich so entfalten kann, wie sie*er es wünscht. Jedoch kann genau das nicht bedeuten, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse übergehen, und damit uns selbst für die politische Arbeit zurückstellen. Denn was für eine Welt schaffen wir, wenn wir uns auch in unseren politischen Gruppen daran orientieren, möglichst viel zu schaffen, möglichst viel zu leisten, möglichst schnell zu sein? Kann es nur darum gehen, politisch so aktiv wie möglich zu sein? Es geht nicht darum, dass wir ohne Unterbrechung kämpfen, sondern dass wir kämpfen ohne unterzugehen.Doch wie können wir es überwinden, dass wir uns derart über unsere Leistung definieren? Vor dieser Aufgabe stehen vor allem Männer. Denn um diese Welt, eine männliche Welt, zu überwinden, müssen vor allem Freunde, Genossen und verbündetet ihre männliche Sozialisierung konsequent reflektieren und in frage stellen. Die zuvorangesprochene Carearbeit darf eben nicht immer nur von FLINTA*´s übernommen werden. Es dürfen nicht nur einmalige happnigs wie der 8.März sein, wo die Arbeit solidarisch aufgefangen wird. Es ist elementar, dass dies auch ein teil der alltäglichen politsichen praxis wird. Dass auch männliche Gruppenmitglieder emotionale Arbeit übernehmen, sich und anderen Schwäche und Fehler ein und zugestehen, damit nachhaltig auf die Belastungsgrenzen, jede:r person geachtet werden kann. In der letzten Konsequenz heißt es schlicht und einfach, eine wirklich solidarischen Umgang mit FLINTA*´s zu Praxis werden zu lassen, da wir sonst keine Genoss:innen auf Augenhöhe sind.


Der Anspruch der anarcha-kommunistischen Plattform
Es wäre gelogen zu behaupten, dass wir all das einfach hinter uns lassen können. Mit all diesen Widrigkeiten müssen wir umgehen. Die anarcha-kommunistische Plattform betrachtet sich dabei als eine Möglichkeit, sich nachhaltig zu organisiern. …. Uns dabei plattformistisch zu organisieren, bedeutet, dass wir uns auf Grundlage einer geteilten politischen Idee zusammenfinden. Diese Idee ist für uns der Anarcha-Kommunismus. Und dass wir uns ausgehend von dieser Idee, in verschiedene soziale Kämpfe einmischen, die uns betreffen. Sei es wie heute der Feministische Kampftag, seien es Kämpfe von Mieter:innen, seien es Arbeitskämpfe. Doch verstehen wir uns nicht nur als politische Gruppe, sondern auch als emotionaler Bezugsrahmen, in dem wir uns gegenseitig Kraft geben und Ruhe gönnen können. Wir haben den Anspruch, unsere politischen Ziele nicht nur nach außen, sondern auch nach innen zu richten.Das bedeutet, dass wir uns gemeinsam darüber verständigen, wie ein achtsamer Umang miteinander aussieht und wie wir zum Beispiel ebenjene Menschen integrieren, die mit unterschiedlichen zeitlichen & anderen Ressourcen ausgestattet sind. Wir wollen von Anfang einen Raum in unserer Gruppe schaffen, der es möglich macht, vermeintliche Schwächen, Überforderungen, Unsicherheiten ansprechen zu können. Mithilfe von verschiedenen Ansätzen aus dem Repertoire des Nachhaltigen Aktivismus versuchen wir, das Ausbrennen oder Rausfallen einzelner Mitglieder nicht nur zu verhindern, sondern auch gemeinsam Aspekten wie innerem Leistungsdruck und einem negativem Selbstbild entgegenzuwirken. Wir wollen keine dem kapitalistischen System nachempfundene Leistungsmaschine aufbauen. Es muss auch möglich sein zu scheitern um dann wieder neu anzusetzen. In dieser Weise verstehen wir uns auch als Experiment. Fragend schreiten wir voran.

2 Gedanken zu “„Kämpfen ohne Unterzugehen!“ – Unser Redebeitrag zum feministischen Streik in Leipzig

  1. Bloß ein kleiner Rechtschreib-Hinweis aus dem off: es handelt sich doch sicher um einen „Redebeitrag“ und nicht um einen „-breitrag“ beim Untertitel zu „Kämpfen ohne unterzugehen“?

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